»Öffnung! Öffnung! Öffnung! Sowohl nach innen als auch nach außen!« So kann man die Botschaft in Schlagworten formulieren, die von diesem letzten Tag des Bonner Karl-May-Symposiums ausgeht und die sich im Rahmen der Beiträge des zweiten Tags schon angedeutet hat. Die Karl-May-Gesellschaft e. V. muss sich aufgrund der zunehmend geringer werdenden Massenwirkung ihres verehrten Autors, was kein ernstzunehmender May-Forscher mehr wirklich bestreitet, breitenwirksamer aufstellen. Sie muss quasi den Muff unter den Talaren der Wissenschaftlichkeit vertreiben, ohne gerade auf diese hervorstechende Eigenschaft ihrer selbst zu verzichten. Sie muss, genau wie Helmut Schmiedt den Paradigmenwechsel für die Germanistik in den 60er Jahren beschrieben hat, selbst einen gewissen Paradigmenwechsel innerhalb ihrer eigenen heiligen Hallen vollziehen, um für die Zukunft gewappnet zu sein.
Ein erster Schritt, eine erste Weichenstellung sozusagen, ist wohl die Öffnung nach innen, will heißen, dass man im Rahmen des wissenschaftlichen Diskurses auch bisher eher ausgesparte populärwissenschaftliche Teilgebiete zulässt und die einzelnen may’schen Interessengruppen mit ihren verschiedenen Ausprägungen, also zum Beispiel die Festspiel-Fans, die Film-Freunde und die Wissenschaftler zusammenbringt.
Genau dies wird in den letzten beiden Vorträgen des Symposiums deutlich. Prof. Dr. Bernd Dolle-Weinkauff (*1952, Frankfurt) ist Comic-Forscher und Leiter des Comic-Archivs der Frankfurter Goethe Universität. Sein Untersuchungsgegenstand ist folgerichtig: Karl May im Comic, und zwar genauer in den Comic-Publikationen der 60er Jahre. Er tituliert seine Ausführungen als »Arbeit am Mythos im Operationssaal der Bildgeschichte« und macht in bemerkenswerter und sehr spannender Art und Weise deutlich, dass sich zum einen das Comic als eigenständige interdisziplinäre Gattung zwischen Literatur und Zeichenkunst nicht zu verstecken braucht und dass es zum anderen hier ein großes bisher nur wenig erschlossenes Forschungsfeld für die Karl-May-Forschung gibt, das wiederum sehr interessante Aspekte zu liefern weiß, indem es die Akkulturation der May’schen Helden vorantreibt.
Dr. Alina Dana Weber (Tallahassee, Florida), Stipendiatin des DAAD, ist Assistant Professor an der Florida State University (=> Homepage). 2010 promoviert sie an der Indiana University Bloomington (=> Homepage) mit einer Arbeit über die Karl-May-Festspiele. Derzeit arbeitet sie an einer Buchpublikation. Also wieder eine Öffnung inhaltlich hin zu den Karl-May-Festspielen, die im Rahmen der Karl-May-Rezeption eine eigenständige Gruppierung darstellen, aber auch eine Brückenbauerin zu den vielen nichtdeutschen Karl-May-Forschern in aller Welt. Sie stellt die »Alterität, Identität und transkulturelle Dynamik in den Karl-May-Festspielen« dar und webt auf wunderbare Weise Vieles aus den vorherigen Beiträgen des Symposiums in ihr Referat ein, was dazu führt, dass ein wirklich runder, kadenzartiger Abschluss der Vortragsreihe zustande kommt.
Den krönenden Abschluss bildet dann ein Event der besonderen Art, dass ich – der geneigte Leser möge mir verzeihen – nun mit sehr persönlichen Worten darstellen muss, da ich selbst Beteiligter bin; aber da dies sowieso ein Symposium der persönlichen Bekenntnisse ist, fällt diese subjektive Note hoffentlich nicht zu stark ins Gewicht. Seit geraumer Zeit geht die Ankündigung durch die Medien, dass man Karl Mays »Winnetou« neu verfilmen will. Der Filmproduzent Christian Becker (*1972, München), Gründer der Westside Filmproduktion und der Rat Pack Filmproduktion (=> Homepage), hat sich mit dem Regisseur Philipp Stölzl (*1967; u. a. »Nordwand« (2008), »Goethe!« (2010), »Der Medicus« (2013)) und dem Privatsender RTL zusammengetan und unter anderem in Kroatien an den klassischen Filmsets der Karl-May-Filme der 60er Jahre einen Fernsehdreiteiler gedreht, der an Weihnachten 2016 ins Fernsehen kommen soll. Als Old Shatterhand steht relativ schnell der deutsche Schauspieler Wotan Wilke Möhring (*1967) fest und als Winnetou wird nach einigem Suchen Nik Xhelilaj (*1983), ein junger, relativ unbekannter Albaner, der in der Türkei Karriere gemacht hat, verpflichtet.
Das Filmvorhaben wird von Bekanntwerden an heftigst und kontrovers diskutiert. Es gibt sogar eine Facebook-Gruppe mit dem Titel »Winnetou 2016 ... so wird das nix«. Die größten Ängste der May-Fans sind, grob zusammengefasst, dass hier wieder kein Karl May verfilmt wird, sondern eine weitere Produktion entsteht, die nur die bekannten Namen nutzt, ohne aber den Geist der originalen Karl-May-Werke zu transportieren. Und so kommt es neben diesen teilweise in rohe Beschimpfungen ausartenden Kritiken auch zu einem Rechtsstreit zwischen dem Karl-May-Verlag in Bamberg und der Rat Pack Filmproduktion, in dem es letztlich um Titelschutzrechte geht, da die vorgelegten Drehbücher so wenig mit den durch die Titel assoziierten Werke Karl Mays zu tun haben, dass es den May-Verleger Bernhard Schmid zu dem mittlerweile berühmt gewordenen Bonmot verleitet: »Das ist nicht frei nach Karl May, das ist frei von Karl May.«
Und in der Tat, die Filme, die kommen werden, halten nichts von akribischer Textgenauigkeit oder Werktreue, sie wollen, das ist der Anspruch, Karl May interpretieren, ihn in die Neuzeit in zeitgemäßem Gewand holen und das Wesentliche in den Mittelpunkt stellen, nämlich die unzertrennliche Freundschaft zweier Männer aus unterschiedlichen Kulturen, die alles überdauert. Das ist zwar in der Sache nichts Neues, weil es in den letzten Jahren immer wieder derartige Bestrebungen gab, dennoch aber darf man bei aller Kritik nicht vergessen, dass die berühmten Karl-May-Verfilmungen der 60er Jahre auch nicht wirklich viel mit den Werken Mays zu tun hatten.
Christian Becker stellt sich nun im Gespräch mit dem Verfasser dieses Blogs dem Fachpublikum des Symposiums. Er tut das auf sehr charmante, nonchalante Art und Weise. Er verbreitet kein abgeklärtes, arrogantes Produzentengehabe, nein, er ist sympathisch, jung, dynamisch, ein netter Kerl mit großen Ambition, einer, der zu dem steht, was er tut, der Ideale hat und sich auch nicht scheut, diese umzusetzen und mit seinen Mitteln zu erreichen.
Viele Fragen gab es im Auditorium. Becker zeigte Trailermaterial und auch ganz neues Filmfootage was, so der Filmproduzent, bei einer Pressevorführung einige der Anwesenden vor Rührung zum Weinen gebracht habe. Becker verteidigt RTL, er sagt, RTL sei der absolut richtige Sender für dieses Unternehmen, der dem deutschen Publikum diesen Dreiteiler zu Weihnachten quasi schenken werde. Stölzl, der ursprünglich auch an dem Gespräch hatte teilnehmen wollen, allerdings terminlich verhindert war, kam in einem Making of zu Wort und erklärte darin kurz seine ganz persönliche Sichtweise auf den deutschen Mythos Winnetou.
Und so endete der dritte Tag und auch das Symposium in sehr versöhnlichem Ton mit der Erkenntnis, dass Film ein ganz anderes Medium, eine ganz andere Kunstform als das Buch ist, die eben deswegen auch ganz anderen Gesetzmäßigkeiten folgt. Ein traditioneller Film-Buch-Vergleich wird dem wohl nie wirklich gerecht werden können. Beides ist streng für sich zu betrachten und zu trennen. Johannes Zeilinger brachte es dann auch in seinem Schlusswort mit dem feurigen Bekenntnis auf den Punkt, dass er glaube, dass das genau der Winnetou-Film werde, den er persönlich immer schon habe sehen wollen und dass er sich sehr auf Weihnachten freue und schon alle anderen Termine abgesagt habe. Dem ist, so denke ich, nicht mehr hinzuzufügen.
Ein sehr schöner Artikel, der die Vorfreude auf die Neuverfilmungen bei mir nur noch erhöht.
AntwortenLöschenEs freut mich, dass es Produzent Christian Becker gelungen ist, (die) Mitglieder der Karl-May-Gesellschaft für sein Filmprojekt zu begeistern.
Die Kritiker der Neuverfilmung bemängeln immer wieder die fehlende Authentizität von "Winnetou 2016" und den damit für sie fehlenden Respekt vor indianischer Kultur.
Fairerweise stellen Sie in Ihren Artikel fest, dass auch die Filme der 60er Jahre weitgehend "frei von Karl May" waren. Und auch beim verehrten Karl May stimmen bei weitem nicht alle Fakten, wie wir alle wissen.
Vielleicht interessieren sich Kinder und Jugendlichen durch die Neuverfilmungen wieder (mehr) für Karl May und indianische Kultur. Schön wäre es!
Ein sehr schöner Artikel, der die Vorfreude auf die Neuverfilmungen bei mir nur noch erhöht.
AntwortenLöschenEs freut mich, dass es Produzent Christian Becker gelungen ist, (die) Mitglieder der Karl-May-Gesellschaft für sein Filmprojekt zu begeistern.
Die Kritiker der Neuverfilmung bemängeln immer wieder die fehlende Authentizität von "Winnetou 2016" und den damit für sie fehlenden Respekt vor indianischer Kultur.
Fairerweise stellen Sie in Ihren Artikel fest, dass auch die Filme der 60er Jahre weitgehend "frei von Karl May" waren. Und auch beim verehrten Karl May stimmen bei weitem nicht alle Fakten, wie wir alle wissen.
Vielleicht interessieren sich Kinder und Jugendlichen durch die Neuverfilmungen wieder (mehr) für Karl May und indianische Kultur. Schön wäre es!