Direkt zum Hauptbereich

Dumm, dümmer, noch dümmer geht nümmer – Paul Feigs »Ghostbusters 2016«

Wenn man sich die Entwicklung der großen Kinofilmschmieden der letzten zehn bis fünfzehn Jahre ansieht, fällt eines unweigerlich jedem, auch jedem Nichtcineasten, auf, nämlich zum einen der Hang zum Sequels und Prequels und zum anderen der tumbe Trend zu Neuverfilmungen alter, längst hundertmal durchgekauter Stoffe. Nun, es mag Geschichten geben, die ein solches Remake vertragen, denen eine Neuinterpretation – wie es ja so oft in einer völligen Fehldeutung des Begriffs heißt – guttut und etwas Besonderes abgewinnen kann, aber leider sind das nur die wenigsten. 


Die meisten Stoffe, die bereits genial filmisch umgesetzt wurden und die eventuell auch ein totaler Reinfall waren – ja, auch solche Filme werden leider neu aufgelegt – sollte man nicht noch einmal anfassen, das kann und wird nur schiefgehen. Verdammt nochmal, haben die Filmschaffenden denn keine neuen Storys mehr parat? Gibt es keine neuen, faszinierenden Charaktere, die es wert wären, dass man ihre Geschichte erzählt? Oder fehlt es einfach an begabten, kreativen Schreiberlingen, die neue Ideen entwickeln und produzieren?

Quelle
Als ich davon hörte, und das ist ja schon ein paar Jahre her, dass man »Ghostbusters« (I:1984 & II:1989) neu auflegen wollte, geriet ich zunächst in begreifliche Erregung. Ich bin wohl ein typisches Kind der 1980er Jahre und die Geisterjäger Dr. Peter Venkman (Bill Murray (*1950)), Dr. Raymond »Ray« Stantz (Dan Aykroyd (*1952)), Dr. Egon Spengler (Harold Ramis (1944-2014)) und Winston Zeddemore (Ernie Hudson (*1945)) gehörten neben Star Wars und Karl May zu meinen ersten jugendlichen Kinoerfahrungen. Sie avancierten bereits damals zum absoluten Kult und waren filmische »Heiligtümer«, die man nicht ungestraft anfassen durfte. Wir warteten alle sehnsüchtig auf einen dritten Teil, der nie kam. Vielleicht war das aber auch gut so, obwohl die Hoffnung nie völlig erlosch. Als dann Harold Ramis vor zwei Jahren viel zu früh plötzlich und überraschend starb, war das, glaube ich, für alle eingefleischten Fans des Franchise das ultimative Aus. Ohne Egon Spengler, so wussten wir, würde es keinen dritten Teil mehr geben – jedenfalls nicht im Realfilmbereich.


Umso ungewöhnlicher erschien noch im selben Jahr die Ankündigung eines dritten Teils, allerdings hielten wir die Meldung von einer rein weiblichen Ghostbusters-Truppe für eine Ente oder einen schlechten Witz. Doch Paul Feig (*1962), der US-amerikanische Schauspieler, Drehbuchautor, Regisseur, Produzent und Autor machte keinen Witz – auch keinen schlechten. Er legte gemeinsam mit seiner Kollegin, der US-amerikanischen Drehbuchautorin, Improvisationskomikerin und Schauspielerin Katie Dippold (*1980) ein Drehbuch vor und ging alsbald an die Umsetzung. Aus den vertrauten vier Ghostbusters wurden nun Dr. Abigail »Abby« L. Yates (Melissa McCarthy (*1970)), Dr. Erin Gilbert (Kristen Wiig (*1973)), Dr. Jillian Holtzmann (Kate McKinnon (*1984)) und Patty Tolan (Leslie Jones (*1967)), die die Stammbesetzung in gewisser Weise spiegeln sollen, parodieren soll, wie auch immer, was trotz der beiden Letztgenannten, die immerhin zur Stammbesetzung der bekannten US-amerikanischen Comedy-Show »Saturday Night Live« (NBC seit 1975) gehören, weder rund läuft, noch nachvollziehbar ist. Kurz gesagt, es scheitert völlig.


In erster Linie liegt das wohl am Drehbuch und damit an der Story, am Plot selbst, der sehr eng am Original angelehnt ist und dennoch nicht im mindesten daran anschließen kann. Es reicht eben nicht aus, sehr viel mit Reminiszenzen aller Art zu arbeiten, was Schauplätze und Zitate betrifft, denn die eigentliche Handlung ist bisweilen so verworren und der Plot so gebrochen, dass man die Geschichte getrost als unwichtig hintenan stellen kann und sie auf ihre Logline reduzieren muss. Dabei fängt alles so vielversprechend an: Bei der Eingangsszene in dem Spukhaus kommt doch tatsächlich für einen kurzen Moment das alte Feeling wieder auf, doch es verfliegt sofort wieder ... Auch der Bösewicht Rowan North (Neil Casey), der stark der Figur des Dr. Janosz Poha (Peter MacNicol (*1954)) aus »Ghostbusters II« (1989) nachempfunden ist, hauptsächlich auch optisch, bleibt schwach bis nichtssagend. Die Begründung für das Auftauchen der Geister wirkt nebulös und wenig durchdacht, die mytho(un)logischen Grundlagen sind aufgesetzt und kaum glaubhaft. Der ganze Plot wirkt wie eine einsturzgefährdete Fassade ohne großartiges Innenleben – von Stringenz oder einer gewissen Logik mal ganz zu schweigen.


Da helfen auch keine speziellen Cameoauftritte fast des gesamten Casts aus den beiden ersten Filmen: Bill Murray als skeptischer Spezialist für das Übersinnliche Dr. Martin Heise, der von einem Geist ermordet wird, Dan Aykroyd als mürrischer Taxifahrer, Sigourney Weaver (*1949) als Rebecca Gorin, Mentorin von Jillian, Ernie Hudson als Bestattungsunternehmer und Onkel von Patty und Annie Potts (*1952) als Rezeptionistin im Hotel. Ebenso rettet auch ein aktueller Kinostar wie der Australier Chris Hemsworth (*1983) als vertrottelte »Empfangsdame« der Geisterjäger, der später von North’s Geist besessen ist, den Film nicht aus seiner Schlechtigkeit heraus; ganz nebenbei bemerkt sind Hemsworth’s komische Talente alles andere als ausgeprägt und er sollte solche Rollen lieber meiden. Seine Stärken liegen dann doch eher auf – sagen wir: anderen Gebieten.


Der Humor, und zwar der des ganzen Films – wenn man denn überhaupt von Humor sprechen kann – bleibt aufgesetzt und in seiner Plattheit komplett humorlos. Es gibt keine Witze, über die man herzlich lachen könnte, weil sie intelligent und einfallsreich sind, sondern sie entlocken einem nur ein müdes Augenrollen, wenn überhaupt, da sie einfach nur komplett dämlich sind. Slapstick findet sich nur in Ansätzen und diese Ansätze sind – nun ja, kein Slapstick. Trockene Einzeiler, die die Original erst wirklich interessant gemacht haben, Wortklamauk, sucht man hier ebenso vergeblich: Dumm, dümmer, dümmer geht's nümmer!


Das Einzige – und es bleibt das Einzige, womit dieses Machwerk überhaupt punkten kann, sind wohl die Spezialeffekte und die 3D-Effekte. Die Geister und Spukgestalten sind wirklich perfekt animiert und wenn dann so ein Gespenst volle Lotte ins Publikum rauscht, ist das schon sehenswert. Allerdings wird auch hier wenig wirklich Abwechslung geboten. Die Farbe grün herrscht vor und wenn gegen Ende der niedliche Zeichentrickgeist aus dem allbekannten Logo der Ghostbusters heraussteigt und in Anlehnung an den Riesen-Marshmallow-Mann des ersten Films zum bösartigen Alptraum avanciert, der letztlich durch ein simples Schweizer Taschenmesser besiegt werden kann, ist das nur ein Sinnbild für dieses ganze Filmvorhaben.


Fazit: Man hätte, wie ich bereits eingangs sagte, wohl besser die Finger von diesem Klassiker gelassen. Er ist zu sehr auf Melissa McCarthy zugeschnitten, die einen eigenwilligen, sehr geschmacksabhängigen Comedy-Stil propagiert, der einem einfach gefallen muss, um es mögen zu können. Ich persönlich halte McCarthy für grenzenlos überschätzt und keinesfalls massentauglich, denn bis jetzt hat sie mit keinem ihrer Filmauftritte die überzeugende Leistung aus »Taffe Mädels« (2013) an der Seite von Sandra Bullock (*1964) mehr erreichen können. Die übrigen Schauspieler bleiben blass und unbedeutend, man vergisst sie nur allzuschnell. 


Das Auftreten der Altstars sorgt zwar für eine gewisse Würze, ist aber nicht rettend und ein asischer Donnergott als vertrottelter Kevin (allein zuhaus?) ist schlicht und ergreifend peinlich. Allein die Spezialeffekte entschädigen etwas für den Preis, den man für den Eintritt bezahlt hat. Gottlob konnte ich diesen Film mit den Punkten von meiner Sammelkarte bezahlen, das schmerzt dann nicht so sehr. Beizeiten werden die Filmschmieden nicht mehr umhinkommen, eine ernsthafte Diskussion über die Remakemanie und den Prequel-Sequel-Wahn in den eigenen Reihen zu führen und auf die Suche nach neuen, kreativen Drehbuchautoren gehen müssen. Denn wenn das so weitergeht, wird es mit dem Kino eben nicht mehr lange weitergehen. Und mit dieser unschönen, düsteren Prognose will ich mich denn dann auch bescheiden.



Kommentare

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Fundstück: Briefwechsel mit H.G. Francis (1936-2011), dem Vater der Kassettenkinder

Quelle Wie schon so einige Male zuvor, so hat auch dieses Mal wieder das Aufräumen und Durchsehen alter Unterlagen ein wirklich interessantes Dokument zu Tage gefördert, dass ich jetzt, immerhin fast elf Jahre danach, wohl ohne Bedenken der Öffentlichkeit anvertrauen darf – es handelt sich um den kurzen aber prägnanten Briefwechsel, den ich mit H. G. Francis  (1936-2011) im Jahr 2004 führen durfte. Er, der mit bürgerlichem Namen Hans Gerhard Franciskowsky lautete und den ich gerne den „Vater der Kassettenkinder“ nennen möchte, hat mit seinen Geschichten, vor allem mit seinen Hörspielen mein ganzes Leben von frühester Kindheit an begleitet, hat durch sein sehr moralisches pädagogisches Schreiben und Erzählen mein Werteverständnis ganz stark mitgeprägt. Ich kannte ihn als Autor der drei Fragezeichen , von Commander Perkins und Perry Rhodan , aber auch von so illustren Geschichten wie die der Masters Of The Universe , für deren deutsche Markteinführung er die Hintergrundstory nur anh...

Kehlmann kafkaesk – Poetik-Dozentur in Landau im Grenzgebiet von Literatur und Film

Landau liegt tief im südwestlichen Rheinland-Pfalz, und ist ein idyllisches kleines Städtchen, welches die eine Hälfte der Universität Koblenz-Landau beherbergt. Die andere Hälfte liegt weiter nördlich, eben, wie es der Name schon sagt, in Koblenz am Rhein , der Stadt, wo Rhein und Mosel am Deutschen Eck unter den Augen des gestrengen Kaisers Wilhelm I. Hochzeit halten. Und obwohl die beiden Universitäten eigentlich eine Gemeinschaft bilden, gibt es doch hin und wieder Dinge, die dann nur jeweils einer Hälfte vorbehalten bleiben; so auch hier. Der Schauplatz war die beeindruckende Jugendstil-Festhalle in Landau. Das Zentrum für Kultur und Wissendialog , kurz ZKW, in Landau hatte die diesjährige Poetik-Dozentur an den österreichisch-deutschen Schriftsteller Daniel Kehlmann verliehen, der wohl mit Fug und Recht als der derzeit bedeutendste deutschsprachige Gegenwartsschriftsteller bezeichnet werden darf. Sein Roman „ Die Vermessung der Welt “ (2005), in dem er den biographischen S...

Koblenz am Lake Okeechobee

Kommentar zum 5. Koblenzer Literaturpreis 2012  Die Preisträgerin des fünften Koblenzer Literaturpreises steht fest! Eigentlich sollte das ein Grund zum Gratulieren sein, wenn eine relativ kleine, im Vergleich mit den großen Metropolen Deutschlands relativ unbedeutende Stadt wie Koblenz – nunmehr zum fünften Mal – einen Literaturpreis ausschreibt und auch vergibt. Und es ist kein unbedeutender Preis, immerhin ist er der Bestdotierte des Landes. 2012 hat er einen Wert von 13.000 Euro und wird gefördert vom Theater der Stadt Koblenz und der Universität Koblenz-Landau, sowie den jeweiligen Freundeskreisen.  Hier einige Passagen aus den Ausschreibungen und von der Website des Literaturpreises: „1999 ins Leben gerufen, zeichnet der Koblenzer Literaturpreis alle drei Jahre die experimentelle Umsetzung von Themen aus dem Land an Rhein und Mosel und über die Landesgrenzen hinaus aus. Der Preis will zugleich Mut machen und finanziell fördern, neue literarische Wege zu gehen. Damit wird...