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»Der Weltraum – unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das mit seiner 400 Mann starken Besatzung fünf Jahre lang unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt, dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.«
Ich hatte mich bewusst im Vorfeld nicht informiert, wie ich das sonst zu tun pflege. Ich wollte unbelastet von dem ewigen Knatsch zwischen Classic-Trekkies und Trek-Erneuerern den mittlerweile dreizehnten (sic!) Kinofilm des Roddenberry-Franchises sehen. Ich wollte wissen, was nach »Star Trek« (2009) und »Into Darkness« (2013), den ich ebenfalls auf diesem Blog bereits besprochen habe, kommt, in welche unerforschten Weiten uns die Phantasie aktueller Drehbuchautoren führt. Wer den Anschluss braucht, der sei an dieser Stelle gerne noch einmal auf meinen Artikel vom 9. Mai 2013 verwiesen.
Und es war die richtige Entscheidung: Mit »Star Trek Beyond« ist die von J. J. Abrams (*1966) erfolgreich begonnene Verjüngskur unter Zuhilfenahme eines Großvaterparadoxons nun endlich im aktuellen Hier und Jetzt angekommen. Die alternative Zeitlinie ist ihren Kinderschuhen entwachsen. Es gibt zwar immer noch liebenswerte, respektvolle Reminiszenzen, aber es werden keine alten Plots mehr gespiegelt oder neu erzählt – und das ist gut so.
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Doch der Reihe nach. Natürlich hatte ich die Trailer gesehen. Natürlich wusste ich, dass Justin Lin (*1973) zwischen 2006 und 2013 insgesamt vier der »Fast and Furious«-Filme gemacht hatte und, wie viele andere, erst einmal in böser Vorahnung das Gesicht verzogen. Konnte das gut gehen? Ein in der Hauptsache Action-Regisseur und das eher philosophisch-intellektuell durchdrungene Star Trek-Universum des Gene Roddenberry (1921-1991)? Ich wollte schon die Hände ringen und ausrufen: »J. J., was hast du uns da angetan?« Doch dann besann ich mich. Ich konnte mich auf die Genialität dieses großen Filmemachers in den ersten beiden Filmen der alternativen Zeitlinie verlassen, warum sollte ich nun seiner Intuition als Produzent misstrauen?
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Es geht untypisch los! Untypisch nicht im Sinne der »Heldenreise«, nein, wir bekommen einen Opener, der uns an alte Zeiten erinnert. Kleine, handliche aber angriffslustige Aliens missverstehen Kirks welt- und wortgewandte Diplomatie – Achtung: Ironie! – als persönlichen Angriff. Sie fallen über ihn her. Irgendwie assoziiere ich damit automatisch die Tribbles, die im Star-Trek-Universum in den unterschiedlichen Serien immer mal wieder auftauchen.
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Und schon sind wir in der gewohnten Welt: Die ersten drei der geplanten fünf Jahre sind vorüber. James Tiberius Kirk (Chris Pine (*1980)), der Captain der Enterprise, macht Dienst nach Vorschrift. Doch er ist ernüchtert. Die Bürde des Captains, die Einsamkeit des Weltraumreisenden, hat ihn voll im Griff. Ein Mangelgefühl stellt sich ein. Seine Geburtstage versucht er, im Alkohol zu ertränken, und das Älterwerden erscheint ihm als Last. Die erhofften Abenteuer sind, abgesehen von solchen diplomatischen Verhandlungen mit außerirdischen Lebensformen wie gesehen, ausgeblieben. Kurz: er langweilt sich zu Tode. Er steckt in der Midlife-Crisis und stellt sich der existentiellen Frage, wer er verdammt nochmal ist und was ihn von seinem Vater unterscheidet.
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Still und heimlich hat er sich auf die Stelle des Vice-Admirals der modernen Vorzeigesternenbasis Yorktown beworben. Doch damit ist er nicht allein, sein gespiegeltes Alter Ego Spock (Zachary Quinto (*1977)) hat ebenfalls Absichten außerhalb der Enterprise. Angetrieben durch den Tod von Botschafter Spock (Leonard Nimoy (1931-2015)), seines älteren Ichs aus der alten Zeitlinie, möchte er in dessen Fußstapfen treten. Er plant, die Sternenflotte zu verlassen, und dessen Arbeit fortzusetzen. Außerdem gibt es wieder Stress mit Lt. Nyota Uhura (Zoë Saldaña (*1978)), seiner Freundin, die sich von ihm trennt, nachdem er ihr mit seinem bekannten logischen Charme klargemacht hat, dass er gedenke, sich mit ihr zu vermehren. Doch es wird sich am Ende herausstellen, dass Kirk und Spock aufeinander angewiesen sind und ohne einander ihren Weg nicht gehen können, da der eine auf den anderen aufpasst und man sich gegenseitig ergänzt. Die Schicksalsfäden scheinen miteinander verwoben zu sein. Kirk und Spock bilden eine Symbiose.
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Rührend und für meine Begriffe toll umgesetzt ist hier das Andenken oder Gedenken an die große 2015 verstorbene Schauspielikone Leonard Nimoy, der noch im Alter von 82 Jahren in »Into Darkness« die Rolle des Spock verkörperte, die ihn zeitlebens nicht losließ, ähnlich wie es Pierre Brice (1929-2015) mit Karl Mays (1842-1912) Winnetou erging. Diese Art filmischer Reminiszenz steht in einer großen Tradition und der Nächste, der sie – viel zu früh – erfahren wird, ist Anton Yelchin (1989-2016), der hier zum dritten und leider auch letzten Mal den Pavel Chekov spielt. In der Originalserie und in den ersten sechs Kinofilmen wurde diese Figur von Walter Koenig (*1936) verkörpert. Macher und Cast haben den Film dann auch dem tragisch Verstorbenen Yelchin mit den Worten »for Anton« im Abspann gewidmet.
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Den Ruf zum Abenteuer erhält Kirk während eines Aufenthalts auf Yorktown durch das Auftauchen einer fremden Spezies, deren Vertreter von einem Absturz auf einem Planeten hinter einem bisher unerforschten Nebel berichtet und um Hilfe bittet. Über diese Sternenbasis Yorktown muss man einfach einige Worte verlieren. Innerhalb einer Energiekugel winden sich unterschiedliche riesige Stränge einer futuristischen Astro-Architektur, die den Zuschauer verblüfft erstaunen lassen, die aber dennoch auch an die Raumstation aus Neill Blomkamps (*1979) »Elysium« (2013) erinnern, natürlich veredelt und wesentlich verbessert. Und natürlich bricht Kirk mit der Crew und der Enterprise auf, um die unbekannte Spezies zu retten.
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Doch alles ist natürlich nur eine Falle, man gerät an einen übermächtigen Feind, an einen Außerirdischen, der sich Krall nennt. Krall (Idris Elba (*1972)) zerstört wie nebenbei die Enterprise, die zwar spektakulär und mit ähnlich wehenden Fahnen, aber nicht mit der Wehmut und dem Herzschmerz des dritten Star-Trek-Kinofilms »Auf der Suche nach Mr. Spock« (1984) untergeht. Krall, das klingt wie »Kull, der Eroberer« (1997), wie (King) »Kong«, das klingt nach einem wahrhaft gewaltigen Bösewicht großen Formats, einem archaischen Zerstörer. Und das muss er auch sein, um sich mit einem Captain Kirk messen zu können, um eine ernsthafte Bedrohung, ein ernstzunehmender Gegner für ihn zu sein.
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Es kommt zum großen Kampf auf dem Planeten, auf den die Enterprise abgestürzt ist. Hier wird eine neue positive Figur eingeführt, ein Charakter, darauf darf man hoffen, den man nicht zuletzt auf der Enterprise gesehen hat: Jaylah (Sofia Boutella (*1982)), eine rätselhafte Kriegerin, mit weißer Haut, die von schwarzen Streifen durchzogen wird. Diese Figur, deren Geschichte nicht ganz geklärt wird, hat unglaubliches Potential, soviel muss hier festgestellt werden. Ob sie am Ende das Angebot annimmt, auf die Sternenflottenakademie zu gehen, bleibt auch offen.
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An dieser Stelle muss ich einmal ein Wort zum Drehbuch verlieren, das von Doug Jung und Simon Pegg (*1970), der auch den Scotty verkörpert, entwickelt wurde. Ich finde, dass hier einfach alles stimmt. Das Drehbuch auf der einen Seite ist eine gelungene Mischung aus einfallsreichem, tollem SF-Plot, Humor und einem Hauch von Nostalgie, ähnlich dem Schokopulver auf einem Latte Macchiato. Die Umsetzung ist absolut angemessen, hochprofessionell und toll fotografiert. Die Schauspieler sind ebenso in ihren Rollen angekommen, sie sind endlich das, was sie verkörpern und stolpern nicht mehr indentitätssuchend im Schatten hinter ihren großen Vorgängern und Vorbildern her. Das wirkt sich wohltuend auf die ganze Produktion aus.
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Die große obligatorische Abschlussschlacht wartet mit einer intelligenten und sehr überraschenden Conclusio auf: Krall ist niemand anderer als ein unter den Bedingungen des Planeten mutierter Mensch, der sich nur durch das »Aussaugen« einer Spezies am Leben erhalten kann. Er war Soldat und wurde nach dem großen Krieg zum Captain eines Raumschiffs, das auf diesem Planeten abstürzte. Sein Schiff, die USS Franklin, wird durch Kirk, Spock, Scotty, Pille und Jaylah wieder flugfähig gemacht und gegen seinen ehemaligen Captain zur Entscheidungsschlacht geflogen.
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Die Botschaft ist klar und wem das Ganze bis dahin zwar als guter und ordentlicher SF-Film vorkam, wem aber die klassische Star Trek Affinität fehlte, der wird spätestens dann, wenn er sich klarmacht, worum es eigentlich geht, zugeben müssen, wieder ganz bei Star Trek und seiner ureigensten Philosophie angekommen zu sein: Das eigentlich Böse ist gar nicht wirklich Böse, sondern es wurde durch widrige Umstände böse und – das ist das Entscheidende – es kommt nicht von außerhalb irgendwo aus den unendlichen Weiten des Weltraums, es kommt immer aus dem Genuinen, aus dem es sich durch Fehlverhalten und Fehlbehandlung extrahiert. Wir sollten also danach streben, mit uns selbst und unseren Mitmenschen so umzugehen, dass sie sich nicht enttäuscht von uns abwenden oder man sich nicht in zerstörerischer Absicht gegen sich selbst wendet.
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Kirk und Spock nehmen ihre zu Anfang des Films gefassten Pläne, die Enterprise zu verlassen, natürlich am Ende zurück. Die Erfahrungen des letzten Kampfes, des letzten Konflikts haben sie dazu gebracht, doch weiter auf ihren angestammten Plätzen zu bleiben. Als Katalysator wirkt gewissermaßen ein Foto der alten Crew um den originalen Captain Kirk (William Shatner (*1931)), das Spock betrachtet und dabei bemerkt, dass Botschafter Spock sich immer als Teil seiner Mannschaft verstand und sie nie im Stich ließ.
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Ich kann diesen Film also nicht nur jedem Trekkie und jenen, die es werden wollen, sondern auch generell jedem Menschen guten Willens wärmstens ans Herz legen und bin gespannt auf Star Trek 4 (14), dessen Produktion ja bereits bestätigt wurde.
»Leben Sie lange und in Frieden!«
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R.I.P. Anton Yelchin (1989-2016) (Quelle) |
Danke für die Rezension. Du sprichst mir aus dem Herzen. Aus »STAR TREK Beyond« ist ein viel besserer Film geworden, als ich zunächst angenommen hatte. Nur die Intensionen des Bösewichts hätten schon früher im Plot kommen müssen. Dann wäre er ähnlich glaubhaft rübergekommen wie Khan in »Into Darkness«.
AntwortenLöschenDie Raumstation fand ich einfach irre gut.
Vielen Dank für deinen Kommentar, liebe Christina. Ich fand ihn sehr glaubhaft. Das einzige, was ich nicht so richtig nachvollziehen konnte, war das "Aussaugen" anderer Spezies ...
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