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Seventh Son - oder: Wie man einen Kinofilm mobbt


„Sagen Sie, können Sie mir sagen, warum der Film so boykottiert wird? Sie sind das einzige Kino hier in der Gegend, der ihn bringt, und er läuft schon seit Donnerstag! (Anmerkung: Heute ist Sonntag!)“, frage ich den Mann an der Kinokasse im Odeon-Apollo-Kinocenter in Koblenz. Dieser nickt achselzuckend und antwortet: „Der ist in Amerika schon sehr schlecht gelaufen und dann geht man davon aus, dass der auch hier schlecht läuft.“ Ich traue meinen Ohren kaum. Ich hör' wohl nicht richtig. „Was ist das denn für eine merkwürdige Schlussfolgerung?“, entgegne ich leicht verstimmt, „Es hat eine Menge Filme gegeben, die in Europa besser und erfolgreicher gelaufen sind als in Amerika.“ Wiederum nickt der Kassierer und wirft mir mit gequälter Mimik lapidar die Feststellung „Er läuft auch sehr schlecht.“ vor die Füße. 


Ich nicke nun ebenfalls, aber nicht, weil ich ihm zustimme, sondern weil ich merke, dass im Gespräch mit diesem Menschen kein Krieg zu gewinnen ist. Das ist schon kein Boykott mehr, das ist pures Mobbing, nur dass in diesem Fall ein Film gemobbt wird und kein Mensch. Diejenigen, die mobben, sind in diesem Fall die Verleiher, denn sie diktieren den Kinobetreibern, wann welcher Film wie oft und wie lange vorgeführt werden muss. Dass dann die Ressourcen für andere Filme oftmals wegfallen, ist an und für sich ja ganz logisch, nachvollziehbar ist es aber weder seitens der Zuschauer noch der Verleiher. 


Der Film, um den es geht, ist die langerwartete Verfilmung des ersten Romans „Spook. Der Schüler des Geisterjägers“ aus der Spook-Reihe (2004/2006-2013) von Joseph Delaney (*1945) unter dem Titel Seventh Son. Ich hatte die in Deutschland erschienenen Spook-Bände alle verschlungen, mir gefiel die Story, der Stil des Autors, sofern man den in einer Übersetzung überhaupt finden kann, also sollte ich besser sagen: der Stil des Übersetzers, und ich freute mich auf den Kinostart, der oft verschoben worden war.


Der offizielle Starttermin war dann der fünfte März 2015, aber ich fand den Film in keinem Kino-Programm. Diese wurden dominiert von „Shades Of Grey“ und anderen Blockbustern, über die ich mich an dieser Stelle nicht weiter auslassen will. Allein eine Bemerkung möchte ich mir gestatten, mit der ich, so glaube ich, alles dazu sagen kann, was dazu zu sagen ist: Wenn sterile Möchtegern-Fetisch-Softcore-Hochglanzpornos gut gemachte Fantasy verdrängen, dann ist es weit mit uns gekommen.


Doch zurück zum eigentlichen Film. Ich stieg also ins Obergeschoss des Odeon und betrat ein Kino, dass mich allein vom Interieur schon in eine Zeit versetzte, die schon lange vergangen ist. Wie war das doch gleich noch? Es war einmal in einer weit, weit entfernten Galaxis … Die Sitze waren unbequem und so ungeschickt angebracht, dass man, egal, wo man saß, immer irgendetwas vor sich hatte, was störend im Bild herumlungerte und den Filmgenuss unmöglich machte: Köpfe von Zuschauern und dergleichen. Auch die Kinoleinwand war viel zu klein und wenn man ansonsten moderne Kinotechnik gewohnt ist, war das hier eine ziemlich Zumutung. Natürlich gab es den Film auch nicht in 3D. Gut, hier kann man geteilter Meinung sein, auch in 2D ist dieser Film ein tolles Erlebnis, allerdings hat das Odeon-Apollo-Kinocenter hier noch eine Menge nachzubessern, denn wenn ich für einen Film in 2D unter diesen Voraussetzungen 8,50 EUR zahlen muss, dann erwarte ich einen gewissen Komfort, den ich nicht erhalten habe. Doch genug der äußeren Umstände.


Wer die Vorlage von Delaney kennt, wird sich sicher denken können, dass der Film zwar Motive aus dem ersten Roman verwendet, aber viel mehr auch nicht mit dem Buch zu tun hat. Darin teilt er das Schicksal der Karl-May-Erzählungen und gleicht ein wenig den Karl-May-Filmen der 1960er Jahre. Also versuche ich erst gar nicht, Film und Buch miteinander zu vergleichen und betrachte den Film als eigenständiges Kunstwerk und als solches ist es absolut gelungen. Es stimmt alles. Die Musik ist stimmig, die Rollen sind teilweise hochkarätig besetzt (Jeff Bridges (*1949) als Spook-Meister John Gregory und Julianne Moore (*1960) als Oberbösewicht Mutter Malkin) und eine junge Schauspielriege (u. a. Ben Barnes (*1981) als Tom Ward und Alicia Vikander (*1988) als Alice Deane) bekommt eine tolle Chance, sich an der Seite solch erfahrener Schauspielgrößen einen Namen zu machen, was diese auch ausgiebig zu nutzen weiß. Die CGI-Effekte sind so gelungen, dass man wirklich das Gefühl von Realität bekommt, nichts wirkt künstlich oder steril, alles ist erdig, warm und mit viel Liebe zum Detail gemacht. Kurz: Ich habe mich köstlich unterhalten gefühlt - trotz den Nachteilen dieses Kinos.

Einziger Wermutstropfen: Die Geschwindigkeit, mit der erzählt wird. Der Film bietet kaum Ruhepunkte. Er brennt ein Feuerwerk der Fantasy-Effekte ab und ermöglicht es den Schauspielern kaum in wirklich ausreichendem Maße die wunderbaren Figuren Delaneys mit echtem charaktervollem Leben zu füllen. Ein wenig bleibt, wie so oft, die Story, die sich ja bekanntlich aus den Figuren entwickelt, auf der Strecke. Aber, man bedenke, das Buch ist ein Jugendbuch und der Film soll gerade junge Leute begeistern, deswegen ist die hohe Geschwindigkeit auch akzeptabel. Außerdem, und das muss man eindeutig feststellen, ist das ein Problem vieler moderner Filmproduktionen, also hier kein Einzelfall.


Delaneys Vorlage hat episches Format, man könnte viel mehr noch herausholen. Aber dazu sollte man sich mehr an die Originaldialoge halten, denn die Filmdialoge kommen über infantile Fragestellungen („Ich frage mich, wovon Monster Alpträume haben? - Wahrscheinlich von Menschen.“) und Versuche, angestrengt witzig zu sein („Das bist du also: der Sohn einer Hexe, der bei einem Hexenjäger in die Lehre geht.“) nicht hinaus. Allerdings gibt es auch wirklich Botschaften mit philosophischem Ansatz („Die Lehren, die ich dir beigebracht habe, vergiss sie. Binde dich nicht an sie. Nutze sie auf deine eigene Weise. Leb dein eigenes Leben, dein eigenes Schicksal.“), deren man sich mehr wünschen würde.


Fazit: Wer das Genre Fantasy liebt, bekommt hier in herrlicher und liebevoller Weise alles geboten, was das Herz begehrt: Hexen, Hexenjäger, Kobolde, Monster, Fabelwesen, Drachen, Ungeheuer, starke junge Helden, männliche wie weibliche, die den verbohrten Hass der Alten nicht mitmachen und sich dagegen auflehnen, um ihren eigenen Weg zu finden, verstrickt in den ewig gleichen und nie endenden Kampf der Dunkelheit gegen das Licht, des Bösen gegen das Gute und am Ende steht die Erkenntnis, das nichts absolut ist, das Böse nicht absolut böse und das Gute nicht absolut gut. Der Boykott und das Filmmobbing, was hier seitens der Verleiher betrieben wird, ist absolut – um das Wort ein letztes Mal zu verwenden – nicht nachvollziehbar und ich persönlich würde mich freuen, wenn es eine weitere Umsetzung eines Spook-Romans geben würde. Doch das wird – nach den bisherigen Einspielergebnissen – nur ein frommer Wunschtraum bleiben.

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