„Interstellar“ ist ungeheuer opulent photographiert, brilliant inszeniert, mit 169 Minuten episch in der Länge, zeitgemäß dystopisch in Inhalt und Botschaft, auf eine Fortsetzung ausgerichtet, prominent besetzt, aber, der Film weist leider dennoch nichts Neues auf, im Gegenteil.
„Interstellar“ verbeugt sich respektvoll vor einer ganzen Menge prominenter Vorgänger, überwindet sie aber nicht, kommt über das reine Zitieren leider nicht hinaus.
Der britisch-US-amerikanische Regisseur, Drehbuchautor und Filmproduzent
Christopher Nolan (*1970) gilt wohl zurecht als einer der bedeutendsten Filmemacher unserer Zeit. Seine Dark-Knight-Trilogie (
„Batman Begins“ (2005),
„The Dark Knight“ (2008),
„The Dark Knight Rises“ (2012)) ist legendär,
„Memento“ (2000) und
„Inception“ (2010) sind zukunftsweisend und revolutionär. Wenn dieser Mann einen neuen Film bringt – und auch hier war die Trailer-Politik sehr geschickt, werbeklug und umsichtig eingesetzt –, dann schaut alles hin und die Erwartungshaltungen steigen in Rekordzeit von Null auf Hundert. Dennoch darf man auch bei einem solchen Könner nicht erwarten, dass auch wirklich immer alles wie erwartet funktioniert und auch entsprechend innovativ ist.
Ein paar spoilervermeidende Sätze zum Inhalt: In
„Interstellar“ neigt sich die Herrschaft der Spezies Mensch auf der Erde ihrem unaufhaltsamen Ende zu. Geradezu biblisch ist die Reaktion der Natur auf die Zerstörung der
Biosphäre durch den Menschen. Die alttestamentlichen Plagen erhalten ein neues bedrohliches Gesicht in Form von Sandstürmen, daraus entstehenden Lungenkrankheiten und verdorrender Ernte als Folge des
Klimawandels. Also die Apokalypse, der Untergang der Menschheit, steht wohl unmittelbar bevor.
Die NASA arbeitet im Untergrund fieberhaft an einem neuen Weltraumprogramm, dessen erklärtes Ziel es ist, eine neue Heimat für die Menschheit im Weltraum – und nicht nur dort, sondern auch in übergeordneten Dimensionen – zu finden, und ihr so das Überleben zu sichern. Der Hauptverantwortliche ist Professor Brand (
Michael Caine).
Der ehemalige NASA-Astronaut Cooper (
Matthew McConaughey), der sich ein Leben als Farmer aufgebaut hat und mit seinen beiden Kindern Murphy (
Mackenzie Foy/
Jessica Chastain/
Ellen Burstyn), Tom (
Casey Affleck) und seinem Schwiegervater Donald (
John Lithgow) auf einer Farm lebt, wird zu diesem Zweck erneut von der NASA rekrutiert, um mit Hilfe eines in der Nähe des Saturn entdeckten
Wurmlochs eine neue Welt zu finden, auf der die Menschheit überleben kann. Also auch hier ein typisches Thema der Science Fiction, das klassischer nicht sein könnte. Natürlich muss er dafür zunächst einmal seine Familie auf der Erde zurücklassen, ohne die Gewissheit zu haben, sie jemals wiederzusehen. Vor allem seine Tochter Murph(y) – die nach
Murphys Gesetz benannt ist, welches hier eine Nolan'sche Neuinterpretation erfährt:
„Murphys Gesetz besagt nur, dass alles, was passieren kann, auch eintritt.“ – spielt hier eine entscheidende Rolle.
Coopers Team besteht aus Brands Tochter Amelia (
Anne Hathaway), den Wissenschaftlern Romily (
David Gyasi) und Doyle (
Wes Bentley). Es folgt den rudimentären Signalen des ersten
„Lazarus“ genannten Projekts, dessen Teilnehmer Miller, Edmunds und Dr. Mann (
Matt Damon) hinter dem Wurmloch verschollen sind. Auch hier ist die biblische Anspielung unverkennbar. Die Auswertung dieser Signale, die die Wissenschaftler gesendet haben, deutet aber auf brauchbare Welten hin. Welten jedoch, die gefährlich sind, nicht in Hinsicht auf mögliche Außerirdische, sondern eher im Hinblick auf ihre relativen Zeitverläufe. Eine Minute auf so einem fremden Planeten bedeutet auf der Erde eine wesentlich längere Zeit.
Die Zeit ist wohl das Hauptthema des Films, die Zeit, ihre möglichen Dilatationen und ihre aus der ihr innewohnenden Relativität resultierende Manipulation – gegen Ende des Films dann die Zeitreise selbst. So stellt Nolan den Film auf wissenschaftlich fundierte Füße. Er experimentiert mit physikalischen Theorien, wie der von
Albert Einstein (1859-1955) entwickelten
Relativitätstheorie, der
Quantenmechanik, und der
großen vereinheitlichten Theorie, um seinen Plot glaubwürdig zu machen.
Er bedient sich alter Quellen, wie den aus dem 16. Jahrhundert stammenden fünfbändigen Romanzyklus
„Gargantua und Pantagruel“ (1534-1564) von
François Rabelais (1483/94-1553) als Namensgeber für das
Schwarze Loch „Gargantua“, welches auf der anderen Seite des Wurmlochs in unmittelbarer Nähe eines der geeigneten Planeten lauert. Die Namen sind im übrigen fast alle so bedeutungsschwanger: Cooper weist auf die Schlüsselfigur der amerikanischen Literatur
James Fenimore Cooper (1789-1851) hin, Amelia Brand erinnert doch stark an
Amelia Earhart, Doyle an
Arthur Conan Doyle, sogar Dr. Mann lässt sich auf
„Man“ also
„Mensch“ zurückführen, also auf den biblischen
„Adam“, den – nach christlich-jüdischem Glauben – Ursprung, den ersten Menschen.
Doch damit nicht genug. Nolan wirft nun weitere filmische Versatzstücke und Zitate in seinen großen Kochtopf, den er respektvoll aber auch genüsslich umzurührend beginnt. So finden sich Reminszenzen auf
Stanley Kubricks (1928-1999)
„2001: Odyssee im Weltraum“ (1968), seinen Lieblingfilm, wie er selbst erklärt, auf
Disneys
„Das Schwarze Loch“ (1979/1980), auf
Peter Hyams (*1943)
„2010: Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen“ (1984), auf
M. Night Shyamalans (*1970)
„Signs – Zeichen“ (2002), ja sogar auf
Steven Spielbergs (*1946)
„Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ (2008) respektive der Interdimensionalität. Dies sind nur einige der bekannteren Beispiele, man wird sicher bei einer genaueren Analyse noch eine Menge Quellen mehr finden und benennen können.
Auch das Vokabular des Films erinnert an Star Trek, Star Wars & Co. Wir wundern uns eben nicht mehr über Begrifflichkeiten, die uns durch diese Serien in Fleisch und Blut übergegangen sind. Fast jeder weiß, was ein Wurmloch ist, wie es sich mit unterschiedlichen Dimensionen verhält, dass es
künstliche Intelligenzen gibt, die so etwas wie Emotionen entwickeln können, usw. Dafür ist der die Mission begleitende Roboter TARS ein gutes Beispiel. TARS steht dabei in einer ganzen Reihe von wichtigen Robotern, die die Menschen auf ihren Reisen zwischen den Sternen begleitet, unterstützt und ihnen teilweise auch das Leben gerettet haben (vgl. C-3PO, R2 D2, Lt. Commander Data, usw.). Hier winkt unter anderem der Altvater
Isaac Asimov (1919/1920-1992) aus dem Hintergrund der Literaturgeschichte.
Das alles ist nichts Schlimmes, im Gegenteil, es belegt nur die hohe Intelligenz und Bildung Nolans, die die meisten seiner Kinozuschauer, diese These will ich wagen, so gar nicht nachvollziehen können werden, schon gar nicht die jüngere Generation. Was wirklich enttäuscht, ist, dass sich Nolan völlig in dieser intellektuellen Material- und Wissenschlacht zu verlieren scheint. Er spinnt zwar aus Altem eine neue Handlung, sein Plot hat allerdings nichts Neues, nichts Innovatives, ja sogar die Auflösung, die er am Ende bietet, ist nicht wirklich überraschend. Auch das kennen wir doch schon aus diversen Science-Fictionen-Publikationen der 1960er und 1970er Jahre. Es ist schön, dass das alles wiederkommt, wiederbelebt wird, aber ist es auch noch zeitgemäß? Eine Frage, die sich übrigens jeder stellen muss, der heute klassische SF macht.
Nolan wird sich den Vergleich mit Werken wie zum Beispiel
Alfonso Cuaróns (*1961) „
Gravity“ von 2013 gefallen lassen müssen, der ja auch ähnliche Grundideen verfolgt, eben nur ganz anders, neuer, innovativer. Auch wird er sich der Kritik nicht verwehren können, die eine ganze Menge logischer Fehler im Plot bemäkelt, aufgrund offensichtlich fehlender Szenen, die wohl in der Postproduktion des Films dem Cutter zum Opfer gefallen sind, was kein Wunder ist, wenn man einen Blick auf die oben bereits erwähnte epische Länge des Films wirft.
Ein Film also nur für Hardliner, für absolute SF- oder Nolan-Fans? Ich denke nicht. Die Thematik ist zwar nicht neu, aber leider dennoch aktuell, wenn man sich die aktuelle Klimaentwicklung auf der Erde ansieht. Und warum sollte man sich einem aktuellen Thema nicht mit klassischen Mitteln annehmen? Wohltuend in diesem Zusammenhang, und das muss unbedingt erwähnt werden, war überdies, dass es keine 3D-Produktion war. Ich bin jedenfalls schon auf die BlueRay zum Film gespannt, und hoffe, dass dort eine ganze Menge Extras alle meine noch offnen Fragen beantworten können und wer weiß, vielleicht ändert sich meine Meinung zum Film ja noch einmal, wenn ich ihn zu Hause mit dem zweiten Blick noch einmal sehe.
Hallo, Peter!
AntwortenLöschenHmmmm.... also was mich an diesem Film begeistert wie bei keinem anderen, ist zum einen die Darstellung, wie ungeeignet der Mensch für Reisen durch den Weltraum ist und wie kostbar unser winziges Habitat an der Erdoberfläche. Selbst bei Kubrick wurde das Gefühl für die Natur des Weltraums nicht so emotional vermittelt wie hier. Und ich hätte nicht gedacht, dass mir vor Ehrfurcht die Tränen kommen könnten, wenn ein Raumschiff als winziger Punkt am Saturn vorbeigleitet und Hans Zimmer dazu in einem riesigen Raum ein paar Klaviertöne anschlägt.
Die große Aussage des Films ist für mich die Bedeutung der menschlichen Empathie, als einzige Verbindung zwischen unendlich großen Raum- und Zeitdimensionen. Der Film hat wunderschön gezeigt, dass unsere einzige reale Überwindungsmöglichkeit zwischen den gewaltigsten raumzeitlichen Distanzen unser Gefühl für andere Menschen oder Orte ist, das wir in uns tragen und lebendig halten. Wo Radiowellen und Lichtbotschaften versagen, machen Liebe und Empathie nicht halt.
Warum ist das wichtig? .... Weil eines der drängensten Aufgaben des Menschen sein muss, Empathie mit den Generationen der Zukunft zu entwickeln. Und zwar so stark, dass sie ihm mindestens so wichtig werden, wie sein eigenes Leben auf der Erde der Gegenwart.
Der Film hat sehr wohl eine eigene Aussage, diese kam klar und verständlich bei mir an. Und sie hat eine ganz große aktuelle Relevanz. Genauso so sollte Science-Fiction für mich sein. :)
Liebe Grüße
Randy Peh