Unter dem Titel „Neues von der Gottsucherbande: Spiegelungen von Religion im Werk von Sibylle Lewitscharoff (Georg-Büchner-Preisträgerin 2013)“ hatten die Bistümer Limburg, Trier und Mainz – im übrigen eine außerordentliche Kooperation – im Rahmen des Lahnfestivals „Gegen den Strom“ zu einem Studientag mit Autorenlesung nach Bad Ems (=> Homepage) eingeladen.
Der Veranstaltungsort, das Künstlerhaus Schloss Balmoral (=> Homepage) lag versteckt, etwas zurückgesetzt, sozusagen in zweiter Reihe, auf der in Fließrichtung linken Seite der Lahn. Nicht wirklich leicht zu finden, aber durchaus elitär im Anspruch und in der Wirkung, eine dreigeschossige Villa im erlesensten spätklassizistischen Stil.
Die Autorenlesung war für 19:00 Uhr angesetzt. Eingerahmt wurde sie von zwei Klavierstücken, einmal „A la Albeniz“ (1952) vom zeitgenössischen russischen Komponisten und Pianisten Rodion Shchedrin (*1932) und zum Abschluss die Stücke Nr. 12 „Kind im Einschlummern“ und 13 „Der Dichter spricht“ aus den Kinderszenen op. 15 (1838) von Robert Schumann (1810-1856). Vorgetragen wurden die musikalischen Beiträge von Franziska Tischbein (*1994), einer Schülerin des St. Petersburger Klaviervirtuosen Vadim Palmov (*1962) und Stipendiatin der katholischen Begabtenförderung Stiftung DEY.
Tischbeins Spiel war, dem darf schon einmal vorgegriffen werden, der einzige Lichtblick an diesem Abend. Man hat selten das Glück, eine Pianistin zu erleben, die nicht nur über eine hervorragende Technik verfügt, sondern vor allem die Stücke, die sie interpretiert, auch lebt. Es war wirklich echte und wahre Musik zu hören, die gottlob durch das Herz in die Finger floss, bevor sie erklang. Sie wird, wenn sie so weitermacht, eine der ganz Großen werden, jedenfalls hat sie das Zeug dazu.
Nicht so die Autorin. Klein, etwas gedrungen, mit hängenden Schultern und herabgezogenen Mundwinkeln, betrat sie in Begleitung von Prof. Langenhorst den Raum. Allein schon dieser Auftritt ließ es nicht zu, dass eine irgendwie geartete Sympathie für die Autorin aufkam. Als sie es sich dann, nach einer kurzen Einführung Langenhorsts, als ersten Satz, den sie überhaupt sprach, verbat, während der Lesung fotografiert zu werden und den Videomitschnitt im Auftrag des Eulenfischs (=> Homepage) verbot, mit dem Hinweis, auf so etwas müsse man einen Schriftsteller vorher ausdrücklich hinweisen, erzeugte das schon das erste Murren im Auditorium. Überhaupt war der Veranstaltungsraum – es waren eigentlich zwei Räume, die durch einen breiten Durchlass miteinander verbunden waren – wenig geeignet für eine solche Veranstaltung. Da hätte man eine geeignetere Location, wie das so schön neudeutsch heißt, finden können und müssen.
Nicht so die Autorin. Klein, etwas gedrungen, mit hängenden Schultern und herabgezogenen Mundwinkeln, betrat sie in Begleitung von Prof. Langenhorst den Raum. Allein schon dieser Auftritt ließ es nicht zu, dass eine irgendwie geartete Sympathie für die Autorin aufkam. Als sie es sich dann, nach einer kurzen Einführung Langenhorsts, als ersten Satz, den sie überhaupt sprach, verbat, während der Lesung fotografiert zu werden und den Videomitschnitt im Auftrag des Eulenfischs (=> Homepage) verbot, mit dem Hinweis, auf so etwas müsse man einen Schriftsteller vorher ausdrücklich hinweisen, erzeugte das schon das erste Murren im Auditorium. Überhaupt war der Veranstaltungsraum – es waren eigentlich zwei Räume, die durch einen breiten Durchlass miteinander verbunden waren – wenig geeignet für eine solche Veranstaltung. Da hätte man eine geeignetere Location, wie das so schön neudeutsch heißt, finden können und müssen.
Nun gut, man könnte argumentieren, dass eine Autorin ja auch nicht unbedingt sympathisch sein muss, immerhin sind es ihre Texte, die begeistern und für sie einnehmen sollen. Aber nichtsdestotrotz sollte der Mensch hinter den Texten sich nicht unbedingt medienfeindlich geben und mit einem sauren Gesicht, Vorwürfen in den Augen und Arroganz in der Haltung geradezu in Reinkultur Antiwerbung für seine Kunst betreiben.
Sie las zwei kurze (sic!) Passagen, zum einen aus dem vielbeachteten und rezipierten Roman „Blumenberg“ (2006; => Verlagsseite) und zum anderen aus der nagelneuen Erzählung „Pong redivivus“ (2014; => Verlagsseite), der Fortsetzung des ersten großen Erfolgs „Pong“ (1998). Ihr Vortrag zeichnete sich durch ein geradezu nerviges, gehetztes Lesen aus, teilweise monoton leiernd, um eine tonale Mitte kreisend, teilweise mit überzogener, unangepasster Dramatik, die dem Text zu keiner Zeit innewohnte. Ihre Texte, zumindest die an diesem Abend zu Gehör gebrachten, sind von beschreibender, meditativer Natur, die in Verbindung mit der unangenehm dialektgestörten Lesart entweder geradezu einschläfernd wirkte oder zu einem unruhigen Herumrutschen auf dem harten Stuhl, auf dem man saß, führte. Nicht jeder Autor kann seine eigenen Texte auch wirkungsvoll vortragen, das wissen alle, nur die wenigsten haben die Größe, das auch zuzugeben und es in andere Hände zu legen.
Nun, literaturwissenschaftlich gesehen muss man natürlich die Frage stellen, worin die Aktualität der literarischen Formen Lewitscharoffs liegt. Sie benutzt eine ungeheuer metaphernreiche, detailversessene Sprache, die zwar hochkarätig intellektuell wirkt, teilweise für die heutige Zeit aber gerade deswegen antiquiert ist, eben eine Sprache, mit der sie nur noch ein sehr kleines Publikum erreicht, eine Sprache, die sich selbst mittlerweile überlebt hat. Thematisch bringt sie auch nichts wirklich Neues. Ein literarisches Buch – im übrigen, wann ist ein Buch rein literarisch? Zeichnet sich nicht gerade die moderne deutschsprachige Literatur dadurch aus, dass sie unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen miteinander vereint und aufs Papier bringt? – über eine Person zu schreiben, die tatsächlich existiert hat, ist doch nun wirklich ein alter Hut. Man denke da nur an Felicitas Hoppes (*1960) Roman „Hoppe“ (2012 => Verlagsseite) oder Wolfgang Hildesheimers (1916-1991) „Marbot“ (1981; => Verlagsseite), der meines Erachtens nach wesentlich gehaltvoller und qualitativer ist als „Blumenberg“. Und eine Realsatire wie „Pong“ oder „Pong redivivus“ findet sich auch wesentlich häufiger, man denke z. B. an Juli Zehs (*1974; => Homepage) Werke.
Die Berufung auf den lateinamerikanischen „magischen Realismus“, dem sie viel näher stehe als dem deutschen Nachkriegsrealismus, kann hier auch nicht greifen, weil der Einbruch des Phantastischen, des Unwirklichen in die Realität, sieht man mal von Franz Kafka (1883-1924) ab, in der Phantastischen Literatur und in der Science-Fiction wohl wesentlich besser seinen Platz findet. Und ihre Meinung über zeitgenössische Kollegen wie Peter Stamm (*1963; => Homepage) oder Daniel Kehlmann (*1975; => Homepage) sei an dieser Stelle besser unterschlagen oder mit ihrer eigenen Metapher aus dem Englischen kommentiert: es sei eben einfach nicht „her cup of tea“. Wer sich nun gerne selbst eine Meinung von Lewitscharoffs doch recht umfangreichen Äußerungen machen möchte, dem sei an dieser Stelle die Verschriftlichung des Gesprächs mit Georg Langenhorst auf diesem Blog wärmstens ans Herz gelegt.
Summa summarum also ein unschönes Fazit, leider: Lächerlich, absurd, nicht mehr nur detailverliebt, sondern geradezu detailmanisch waren die dargebotenen wenigen Textauszüge und die Tatsache, dass einer solchen Autorin, die antiquierte Meinungen und gesellschaftliche Positionen vertritt und die sich noch nicht einmal einer politisch korrekten Ausdrucksweise bedienen kann – man rufe sich bitte ihre äußerst umstrittene Dresdener Rede in Gedächtnis – noch Literaturpreise verliehen werden, lässt mich gerade an diesen Preisen und ihrem Sinn doch sehr zweifeln. Aber was soll's, wie ich in einem ähnlichen Zusammenhang an anderer Stelle bereits schon einmal schrieb, selbst ein Goethe hat Zeit seines Lebens nie einen Literaturpreis gewonnen, wozu auch, er hatte das gar nicht nötig.
Abschließend soll das Zitat einer Lesungsbesucherin stehen, die in einer der hinteren Stuhlreihen saß und sich nach dem Ende des offiziellen Teils folgendermaßen an ihren Mann wendete: „Ich muss hier raus! Diese Frau macht mich aggressiv! Das war ja wohl voll für die Füße!“ Ich denke, dass muss nicht mehr extra kommentiert werden.
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