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100 Jahre Karl-May-Verlag (1913-2013) – Teil 1


(Der vorliegende Text erscheint in gekürzter und eingerichteter Fassung in den KMG-Nachrichten Nr. 177. Das Vierteljahresmagazin der Karl-May-Gesellschaft, III. Quartal - 2013, S. 30-36)

Es ist soweit! Heute gibt es nicht nur die berühmt-berüchtigten „Giftzettel“, wie wir früher die Jahreszeugnisse nannten, nein, heute fahre ich, gleich nach dem Mittagessen, zu den Festlichkeiten aus Anlass des einhundertjährigen Verlagsjubiläums des Karl-May-Verlags in Bamberg
 
Mich verbindet seit frühesten Kinderzeit eine ganze Menge mit diesem Verlag. Zunächst und zuallerförderst ist das die Liebe zu 'meinem' Karl May (1842-1912), jenem großen Dichter deutscher Zunge, dessen Werken sich der Verlag verbunden sah und heute noch sieht. Nun will ich hier nicht die Verlagsgeschichtereferieren, dass lässt sich eigentlich sehr ordentlich auf der Verlagswebseitenachlesen. Aber ein wenig erzählen, wie ich meinen Weg zu diesem Verlag gefunden habe, möchte ich doch, und das eingehender als in meinem Nachruf auf den ehemaligen Verlagsleiter Lothar Schmid (1928-2013) auf diesem Blog. Und dazu brauche ich mich eigentlich nur einmal selbst zu zitieren, und zwar einige Passagen aus dem Vorwort meiner ersten Staatsarbeit aus dem Jahr 1998, in der ich diese Entwicklung recht treffend, wie ich finde, schriftlich ausführte – ich habe die Rechtschreibung und Orthographie dem heutigen Sprachgebrauch behutsam angepasst:

Angefangen hatte alles mit dem „ersten kontinentalen Western der Nachkriegszeit, der nicht den amerikanischen imitierte“ (vgl. Gerd Ueding (Hrsg.), Karl-May-Handbuch, Stuttgart 1986, S. 658 Mitte), den ich mit gut vier Jahren zum ersten Mal sah, nämlich den Film „Der Schatz imSilbersee“, 1962 von Harald Reindl (1908-1986) in Szene gesetzt, in den Hauptrollen mit Pierre Brice (*1929) als Winnetou und Lex Barker (1919-1973) als Old Shatterhand. Ich war fasziniert, diese beiden Helden ließen mich nicht mehr los. Von ihnen ging etwas aus, was Euchar Albrecht Schmid (1884-1951), Karl Mays Anwalt und langjähriger Freund, wohl am besten mit jenem Vierzeiler beschrieb, den er im Jahr 1910 in Mays Tagebuch schrieb:
 

„Ich habe dich und dein Aug' gesehn,
des Auges Blitz – und da war's gescheh'n:
Er hat mir das Herz versengt und verbrannt,
er hat mich für immer an dich gebannt.“ 
(enthalten in Karl May's Gesammelte Werke Bd. 34 „ICH“, 39. Auflage, Bamberg 1995) 

 
Ich begann alles zu sammeln, was zum Thema Winnetou und Old Shatterhand zu finden war: Vertonungen, Postkarten, Bilder, Comics, etc. Außerdem besuchte ich mit meinen Eltern wiederholt die Karl-May-Festspiele in Elspe im Sauerland (Elspe Festival) (=> Homepage).
 
Nachdem ich in der Schule lesen gelernt hatte und darin weit genug fortgeschritten war, drückte mir mein Vater eines Tages ein in Leinen gebundenes weißes Buch mit der Bemerkung in die Hand, ich solle nun anfangen, den echten Karl May zu lesen. Die ersten hundert Seiten seien zwar langweilig, man müsse sich „hindurchbeißen“, aber dann würde es richtig spannend, dass man nicht mehr davon lassen könne.
 
Ich begann zu lesen: „Lieber Leser, weißt du, was ein Greenhorn ist? (...)“ und kam nicht mehr davon los. Was mein Vater mir da in die Hand gedrückt hatte, war der erste Band des Romans „Winnetou“, zwar in einer Lizenzausgabe der Deutschen Buchgemeinschaft, aber das tat der Faszination keinen Abbruch. In der „Tremonia“ (1899) heißt es:  

 
„(...) Ich fordere aber, daß der, welcher mich kritisiert, mich nicht nur gelesen, sondern studiert hat, und zwar von der ersten bis zur letzten meiner Arbeiten, die so organisch zusammenhängen, daß sie nur im Ganzen zu beurteilen sind. (...)“ (geschrieben von Richard Plöhn (1853-1901) als angebliche Antwort Mays an ihn (May, Karl: May gegen Mamroth. Antwort an die 'Frankfurter Zeitung'. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1974, Hamburg 1973, S. 131-152 (135)))

 
Und genau das tat ich im Folgenden. Ich verschlang nacheinander Seite um Seite, 'fraß' mich quasi durch das Buch hindurch, bis ich auch die letzte Seite nicht nur gelesen, sondern auch verinnerlicht hatte, was meinen Vater einige Jahre später zu der Aussage veranlasste, die dem oben genannten May-Zitat so ähnlich ist, nämlich, ich hätte „den May ja nicht gelesen, ich hätte ihn studiert“.
 
Im Folgenden begann ich, mehr und mehr für 'meinen' Autor Partei zu ergreifen, ihn gegen jene meiner Mitmenschen zu verteidigen, die ihn entweder aus Mangel an Kenntnissen oder Verständnis seiner literaturwissenschaftlichen Bedeutung berauben wollten und mich, ob der Tatsache, dass ich ihn so verehrte, ironisch belächelten.
 
Als dann, nachdem ich im Rahmen einer Buchbesprechung die Erzählung „Der Löwe der Blutrache“ (vgl. Karl May, Der Löwe der Blutrache, Gesammelte Werke Bd. 26, Karl-May-Verlag: Bamberg) vorgestellt hatte, meine Deutschlehrerin behauptete, ihr Großvater habe bei Karl May mitgeschrieben, platzte mir dann doch endgültig der Kragen, ob solcher, als infam wirkenden Verleumdungen. Ich nahm all meinen Mut zusammen und schrieb dem Karl-May-Verlag in Bamberg einen Brief – dem später viele andere folgen sollten – in dem ich darum bat, diese Behauptung meiner Lehrerin zu überprüfen.
 
Und siehe da, tatsächlich war ihr Großvater Johann Georg Kurt Rietzsch (27.12.1884-31.10.1957), seines Zeichens protestantischer Pfarrer zu St. Christophori in Hohenstein-Ernstthal (=> Homepage), seit den zwanziger Jahren Mitarbeiter des Karl-May-Verlags gewesen und hatte sich dort literarisch betätigt, Änderungen angeregt, Fehler berichtigt und bei Kürzungen von Weitschweifigkeiten mitgeholfen (vgl. Brief des Karl-May-Verlags vom 09.12.1986: Pfarrer Rietzschs Mitarbeit bezog sich vor allem auf die Ermittlung von Daten und Karl May betreffende Eintragungen in den Hohenstein-Ernstthaler Chroniken).
 
So bekam ich Kontakt zum Karl-May-Verlag, persönlich vertreten seinerzeit noch durch Roland Schmid, (1930-1990) mit dem ich dann bis zu seinem plötzlichen Tod einen regen Briefwechsel führte. Dieser Kontakt bildete auch gleichzeitig den Grundstock für meine heutige Forschungstätigkeit.
 
In der Oberstufe des Gymnasiums schrieb ich dann auch, mutig der Ignoranz trotzend, die die Germanisten unseres Gymnasiums Karl May entgegenbrachten, bei besagter Lehrerin meine Facharbeit; wieder über 'mein' Thema, oder wie ich damals meinte 'unser' Thema: Karl May. Meine Lehrerin formulierte, nachdem wir besprochen hatten, worüber ich denn schreiben wollte, wie folgt:
 

„Über christliche und nationalistische Tendenzen im Werke Karl May's 
unter besonderer Berücksichtigung des Alterswerks“ (1990/1991)
    
Aus heutiger Sicht eine unmögliche Formulierung (vgl. Brief von Ekkehard Bartsch vom 30.12.1990), die überhaupt nicht das traf, was ich eigentlich hatte schreiben wollen. Kurz gesagt, die Arbeit misslang (Wertung: ausreichend (5 Punkte)), was eben im Besonderen auch daran lag, dass das Thema falsch formuliert worden war, wie sie mir im an die Bewertung anschließenden Kolloquium unter vier Augen auch gestand.
 

(vgl. Peter Wayand, Theologische Aussagen im Werke Karl May's unter besonderer Berücksichtigung der Romantrilogie „Old Surehand“ I-III, erste Staatsarbeit für das Lehramt an Realschulen, eingereicht am 27.10.1998 an der Universität Koblenz-Landau Abtlg. Koblenz, S. 3-6, Leihverkehr der Karl-May-Gesellschaft Nr. 81)


Was folgte, ist nun schnell erzählt. Ich studierte später Literaturwissenschaft hauptsächlich bei Helmut Schmiedt (*1950), schrieb an der Uni neben einer Hausarbeit zum Weihnachtgedicht Karl Mays eben besagte erste Staatsarbeit und inszenierte dann im Jahr 2005 zum ersten Mal seit 99 Jahren Karl Mays einziges Drama „Babel und Bibel“ (1906), was bis dato nie wirklich aufgeführt worden war (=> Karl-May-Wiki).
 
Bei diesen Projekten, sowohl den studentischen, wie auch dem Babel&Bibel-Projekt als Junglehrer stand mir wiederum der Karl-May-Verlag, hauptsächlich in der Person des vor kurzen verstorbenen o.g. Lothar Schmid zur Seite. 2008 regte er sogar an, dass wir Babel&Bibel in Dresden auf der Schacholympiade wieder aufführen sollten, doch diese Pläne zerschlugen sich leider im Laufe des Jahres. Seine 'letzte' Tat, die er sich auch zur Herzensangelegenheit machte, war die Übernahme meines eigens zum Karl-May-Jahr 2012 geschriebenen Theaterstücks „Rosensieg. Der Tod Old Shatterhands“ in den Verlagsshop des Karl-May-Verlags.
 
Wenn ich das Ganze nun so Revue passieren lasse, dann muss ich sagen, dass es mir eine Ehre ist, zu diesem runden Verlagsjubiläum eingeladen worden zu sein.

Folgendes Programm erwartet mich:

Freitag, 05.07.2013

  • 17:00 Uhr – geselliges Beisammensein in der Brauerei Greifenklau (Laurenziplatz 20)
  • 20:30 Uhr – Freilichtaufführung „Von Zeit zu Zeit“ nach Erzählungen von Karl May (Alte Hofhaltung, Domplatz 7)

Samstag, 06.07.2013


Sonntag, 07.07.2013

  • 11:00 Uhr – Schiffsrundfahrt auf der Regnitz (Abfahrt: Am Kranen)

Ich werde versuchen, am Ende eines jeden Tages einen entsprechenden Bericht zu posten, so dass es also mehrere Teil (voraussichtlich insgesamt vier) von diesem Wochenende auf meinem Blog geben wird. Es wird also spannend und ich wünsche allen Interessierten und Karl-May-Begeisterten viel Spaß bei der sozusagen Live-Lektüre in Wort und Bild.


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