Im Wintersemester 2012/2013 entstand, im Rahmen des Seminars über Balladen in der Sitzung vom 11.01.2013 bei Prof. Dr. phil. Helmut Schmiedt folgender fiktiver Brief.
Hintergrund war eine Aufgabenstellung zu Conrad Ferdinand Meyer's (1825-1898) Ballade "Die Füße im Feuer" (1882). In dieser Ballade geht es um einen Knecht des Königs, der drei Jahre nach dem Tod einer Frau, die er gefoltert hat und die in der Folge gestorben ist, auf deren Ehemann und Kinder trifft. Der Ehemann hat die Möglichkeit, den Mörder seiner Frau zu bestrafen und zu töten, aber er tut es nicht und lässt ihn ungestraft von dannen ziehen, alles mit dem wagen Hinweis auf das alleinige Recht Gottes, Rache üben zu dürfen (vgl. Dtn 32,35; Röm 12,19).
Um diese Problematik mit Schülern ansprechend zu bearbeiten, sollte zum einen der Ehemann seinem Bruder und zum anderen der Mörder seinem fiktiven Bruder einen Brief schreiben, in dem er seine jeweiligen Beweggründen für sein Handeln darlegt. Folgendes kam dabei heraus:
Mein lieber guter Bruder,
diese Zeilen an dich zu schreiben, wurde mir sehr schwer, denn ich hatte heute die Möglichkeit, auf die ich seit Jahren gewartet hatte und habe sie vertan. Denn ER ist erschienen und begehrte Herberge in meinem Haus, ER der mir teuflisch das Weib mordete! ER, der Verhasste, der lange Gesuchte, der Mörder! Ihn hatte der Herr mir in die Hand gegeben!
Drei Jahre habe ich gewartet, gehofft, gefleht, geflucht und geweint! Drei Jahre! Doch der Reihe nach! Er kam gestern Abend, als draußen ein Gewitter tobte und bat um Einlass und Obdach für die Nacht, die ich ihm gewährte, da er mich auf seine Gewand und damit auf seinen Stand hinwies, den ich doch längst bemerkt hatte. Es war ein Knecht unseres Königs! Geschickt nach Nimes! Stell dir vor, ein Bedienter des Königs ist der Mörder meines Weibes! Er wurde erkannt, die greise Schaffnerin wusste sofort, wer er war, dem Dienstboten und den Kindern verschlug es vor Schreck die Sprache.
Ob er sich entsann? Ich denke schon! Ich gewahrte seinen Blick, der verstohlen über die Gemälde der Ahnengalerie strich, sein erschrockenes Angesicht, als er sich in den Sessel vor dem Herd warf! Er erkannte, wo er war und ihm kam es mit Sicherheit zu Bewusstsein, was er getan hatte. Er betrank sich hemmungslos! Er übergoss den Becher und schüttete den Wein draufgängerisch in sich hinein. Er forderte in der Manier eines großen Herren endlich sein Schlafgemach!
Ein Diener führte ihn hin! Wir lauschten an der Tür! Es schien, als prüfe er seine Waffen! Dann wurde es irgendwann sehr still, bis sein geräuschvolles Schnarchen bis in die große Halle drang! Ein Hohngelächter auf das Andenken meines Weibes, wenn du mich fragst.
Ich habe ihn nicht umgebracht! Ich konnte es nicht! Immerhin steht er im direkten Dienst des Königs! Was aber noch viel wichtiger ist, ist meine unerschütterliche Überzeugung, dass Gott, der Herr, der allein zur Rache Berechtigte ist, derjenige, der, wenn er es in seiner unendlichen Weisheit für angemessen hält, den elenden Mörder zur Buße seiner Tat fordern darf und ihm die Rechnung präsentieren wird.
Halte mich nicht für schwach, oder feige, lieber Bruder! Aber hättest du an meiner Stelle anders gehandelt? Die Entscheidung hat mich über Nacht ergrauen lassen! Die Verpflichtung, meinem Weibe gegenüber für Gerechtigkeit zu sorgen, hat mir die letzte Lebensfreude genommen und damit meinen Haaren die Farbe. Ich kann nur hoffen, dass SIE es mir verzeihen wird.
Nun, lieber Bruder, mag der Tod kommen. Heute oder morgen.
Drei Jahre habe ich gewartet, gehofft, gefleht, geflucht und geweint! Drei Jahre! Doch der Reihe nach! Er kam gestern Abend, als draußen ein Gewitter tobte und bat um Einlass und Obdach für die Nacht, die ich ihm gewährte, da er mich auf seine Gewand und damit auf seinen Stand hinwies, den ich doch längst bemerkt hatte. Es war ein Knecht unseres Königs! Geschickt nach Nimes! Stell dir vor, ein Bedienter des Königs ist der Mörder meines Weibes! Er wurde erkannt, die greise Schaffnerin wusste sofort, wer er war, dem Dienstboten und den Kindern verschlug es vor Schreck die Sprache.
Ob er sich entsann? Ich denke schon! Ich gewahrte seinen Blick, der verstohlen über die Gemälde der Ahnengalerie strich, sein erschrockenes Angesicht, als er sich in den Sessel vor dem Herd warf! Er erkannte, wo er war und ihm kam es mit Sicherheit zu Bewusstsein, was er getan hatte. Er betrank sich hemmungslos! Er übergoss den Becher und schüttete den Wein draufgängerisch in sich hinein. Er forderte in der Manier eines großen Herren endlich sein Schlafgemach!
Ein Diener führte ihn hin! Wir lauschten an der Tür! Es schien, als prüfe er seine Waffen! Dann wurde es irgendwann sehr still, bis sein geräuschvolles Schnarchen bis in die große Halle drang! Ein Hohngelächter auf das Andenken meines Weibes, wenn du mich fragst.
Ich habe ihn nicht umgebracht! Ich konnte es nicht! Immerhin steht er im direkten Dienst des Königs! Was aber noch viel wichtiger ist, ist meine unerschütterliche Überzeugung, dass Gott, der Herr, der allein zur Rache Berechtigte ist, derjenige, der, wenn er es in seiner unendlichen Weisheit für angemessen hält, den elenden Mörder zur Buße seiner Tat fordern darf und ihm die Rechnung präsentieren wird.
Halte mich nicht für schwach, oder feige, lieber Bruder! Aber hättest du an meiner Stelle anders gehandelt? Die Entscheidung hat mich über Nacht ergrauen lassen! Die Verpflichtung, meinem Weibe gegenüber für Gerechtigkeit zu sorgen, hat mir die letzte Lebensfreude genommen und damit meinen Haaren die Farbe. Ich kann nur hoffen, dass SIE es mir verzeihen wird.
Nun, lieber Bruder, mag der Tod kommen. Heute oder morgen.
Germain de la Course,
Viconte du Bréuil
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